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Die Sprachversionen

Der Text liegt in drei Sprachen vor. In der Reihenfolge der Entstehung : Deutsch, Englisch, Französisch.
Jede Version versteht sich als Übertragung - nicht Übersetzung -, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass ich jeweils ohne Rückgriff auf einen "Übersetzer" - z.B. den Google-Übersetzer - jeden Text erneut schrieb.

Der englische Text entstand aus der deutschen Fassung. Der französische Text aus der englischen Fassung. Jeweils versuchte ich eher den Sinn, als einzelne Worte wiederzugeben. Vorstellungen werden stets, als semantische Einheiten, auf eigentümliche Weise aus dem Universum der jeweiligen Sprache ausgedrückt.

Aus diesem Grund darf sich jede Fassung original nennen.

Meine ursprüngliche Sprache ist Französisch: die Muttersprache. Sie prägte zunächst allein den frühkindlichen Geist. Mit dem Englischen und Deutschen - in dieser Reihenfolge - und weiteren Sprachen kam ich erst später in Berührung. Möglicherweise zu spät, um trotz der wachsenden Vertrautheit die Unmittelbarkeit der Muttersprache zu erreichen. In Bezug auf letztere vollzieht sich aber die umgekehrte Entwicklung: in der heutigen Wahrnehmung mutet sie mich immer mehr neu, unerkannt, sogar fremd an.

  1. Anlass

    Das zugrundeliegende Bild Nr. 1 wurde während einer Exkursion nach Heidelberg aufgenommen, auf der Seilbahn zum Königsstuhl, einer steilen Erhebung der Topographie, in unmittelbarer Nähe der Heidelberger Altstadt. Auf bewaldeten Hügeln liegt eine dicke Schicht Schnee. Die Landschaft ist in weißem durchsichtigem Leinen gehüllt, welches die Gestalten der Bäume noch dunkler unterstreicht, wie rätselhafte Zeichen einer namenlosen Nachricht.

    Die Bildbearbeitungssoftware entfremdet Schritt für Schritt das Urbild. Je verwaschener die Umrisse der einzelnen Gestalten, desto weniger erkennbar das Gewöhnliche, bis sich die Landschaft auf dem Bild Nr. 9 in rätselhafte Abstraktion auflöst.

    Trotz des Fehlens jedweder Beteiligung meinerseits in den gestalterischen Vorgang haben alle Bilder einen "künstlerischen" Reiz - und Wert.

    Vor wenigen Wochen las ich über heftige Kontroversen, weil ein KI-Modul ein Kunstwettbewerb gewann. (Der Jury erfuhr erst nach der Preisverleihung, dass einige Werke vollständig digital zustande gekommen waren.) Kritiker sprachen der KI-Software, an sich, die Fähigkeit zum Künstlerischen ab und verlangten eine Stornierung.

    Heutige Möglichkeiten der Bildbearbeitung tauchen Fragen zur Definition der Kunst und zum Selbstverständnis der Künstler in ein schräges Licht. Künftig dürfte sich sogar solche Fragestellung noch verschärfen. Zu behaupten, dass nur "natürliche Personen" Kunstwerke herstellen können, erscheint mir jedoch zu flach. Menschen nutzen seit jeher immer raffiniertere Techniken und Werkzeuge, um eine ästhetische Wirkung zu erzielen. Gibt es hinsichtlich der Komplexität von Werkzeugen eine rote Linie, ab deren Überschreitung die Beurteilung der unter ihrer Zuhilfenahme hergestellten Artefakte neu formuliert werden muss? Ist solche Frage sinnvoll?

    In früheren Jahrhunderten war es Konsens, dass individuelle Virtuosität unabdingbar ist. Seit mindestens einem Jahrhundert in Europa - und mittlerweile überall - hat sich der Standpunkt merklich verschoben. Vielfach enstehen Werke - teilweise oder gänzlich - aus Vorgängen, in denen das bewusste Einwirken eines identifizierbaren Individuums und sein technisches Können eine untergeordnete Rolle spielt. Werden diese Werke deswegen als Mangel angesehen oder empfunden?

    Die hier dargestellte Bildserie nimmt u.a. Bezug auf Werke des Künstlers Andy Warhol, dessen Serienbilder das kollektive Gedächtnis prägen, z.B. die Portrait-Serien von Marilyn Monroe. Welchen Anteil hat die manuelle Virtuosität des Künstlers, Andy Warhol, an der Beurteilung der seriellen Werke? In erster Linie gilt doch die Frage, ob und wie das Werk auf den Betrachter wirkt. Berührt es in irgendeiner Weise? Der "ästhetische Eindruck" wird hier umfassend verstanden. Sie gründet nicht mehr auf einem Gefühl der Schönheit bzw. der Erhabenheit. Auch das Hässliche, das Monströse oder - ungewohnter - das Alltägliche und das ansonsten Minderwertige werden anvisiert - und ihre Entfremdung. Alle Steine werden umgedreht.

    In der radikalsten Ausprägung gilt folgende Auslegung: Jedem Gegenstand kann - und wird - Künstlerisches zugesprochen werden - siehe in diesem Zusammenhang Aussagen des Künstlers und Kunsttheoretikers Joseph Beuys. Eines der frühesten Beispiele von "umgedeuteten" Objekten ist das Urinal von Marcel Duchamps. Unter solchen Prämissen werden u.a. folgende Aussagen durchaus berechtigt.

    -1- Werke, die vollständig digital erzeugt wurden, sind Kunstwerke.
    -2- Artefakte, die unter Beteiligung von Tieren hergestellt wurden, gehören (gleichberechtigt) zur Kunst. siehe z.B. The Elephant Art Gallery.

    Aus meiner Sicht verdient "die tierische Kunst" eine separate Betrachtung, deren Schlußfolgerungen möglicherweise noch radikaler ausfallen könnten, als bei der "Computer-Kunst", da sich bei letzterer das menschliche Element nicht weg denken lässt. Menschen sind es, die die Software entworfen haben. Aber, auch wenn künftig Softwaremodule immer mehr automatisch generiert werden, werden sie alle mit Daten gefüttert, die aus dem menschlichen Kollektiv stammen. Daher werden solche automatische Werke - genauso wie frühere - in der Lage sein, (unbewusste) Schichten des Menschlichen bzw. Archetypen widerzuspiegeln. Vielleicht sogar auf bisher ungeahnte Weise.

    Möglicherweise werden in der Zukunft Kunstwerke nicht eindeutig auf einen oder mehrere Personen zurückgeführt, sondern vielmehr als Ergebnis einer Vielzahl von "Faktoren" gedeutet. Eine Rückkehr zur Demut der früheren Zeiten - als nicht das produktive Ego von Individuen betont wurde, sondern die Schaffung aus dem kollektiven Geist? In solcher Welt erübrigt sich der Bedarf an Wettbewerben. Letztere Veranstaltungen blieben dann einem kleinen Kreis unter strengen Bedingungen wie z.B. "die Nutzung von Computern ist unzulässig" vorbehalten. Eine allgemeine Relevanz in Bezug auf die Entwicklung der Kunst hätten sie (fast) gänzlich eingebüßt. Eine Randerscheinung.

  2. Die Serie

    01
    02 03 04 05

    06 07 08
    09

  3. Einzelbetrachtung


    01: IMG_20230127_155836.jpg


    02: Heidelberg_20230117_155836_5.jpg


    03: Heidelberg_20230117_155836_8.jpg


    04: Heidelberg_20230117_155836_3.jpg


    05: Heidelberg_20230117_155836_2.jpg


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    09: Heidelberg_20230117_155836_7.jpg